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Heft Nr. 8 (Jg. III, H.3/2008)   (ISSN 1862-9695;  ISBN 978-3-8322-7667-6)

Zum Verhältnis von Tradition und Moderne im Prozess des sozialen Wandels

Gerd Vonderach: Zur Entwicklung religiöser Vorstellungen. Anregungen zu einem gesellschaftsgeschichtlichen Verständnis aus der älteren und neueren Literatur

Der Beitrag geht davon aus, dass erst ein Verständnis der Religionsgeschichte als Teil der Kulturgeschichte und insgesamt der Menschheitsgeschichte die religiösen Weltdeutungen deutlich als historisch-kultureingebundene Konstruktionen des menschlichen Geistes erscheinen lässt. Dabei wird an die immer noch denkanregenden Religionsdeutungen der frühen Soziologen Comte und Durkheim erinnert. Als Anknüpfungen daran werden einige neuere historisch-soziologisch und historisch-psychologisch argumentierende und zugleich empirisch belegbare Ansätze vorgestellt, die mit zwischenzeitlich entstandenen Erkenntnissen und Wissensbeständen in überzeugender Weise den Zusammenhang zwischen der Entwicklung religiöser Vorstellungen und der Kultur- und Gesellschaftsgeschichte thematisieren.

Anton Sterbling : Reflexionen zur Bedeutung von Ursprungsmythen und historischen Mythen in der kollektiven Erinnerung – dargelegt am Beispiel der Banater Schwaben

Ausgehend vom Prinz Eugen Mythos und seinen Wirkungen bei den Banater Schwaben, die ich nicht zuletzt in Rahmen meiner eigenen Sozialisation erfuhr, wird es in diesem Beitrag hauptsächlich um die Fragestellung gehen, was man unter einem Mythos versteht, wie Mythen entstehen und tradiert werden und welche soziale Relevanz ihnen in der kollektiven Identitäts- und Daseinsvergewisserung zukommt. Im Besonderen werden sodann „historische Mythen“ betrachtet, die aufschlussreich erkennen lassen, dass Mythen und Mythenbildung keineswegs nur für das archaische Zeitalter typisch sind, sondern auch in modernen Prozessen der Vergesellschaftung und kollektiven Selbstvergewisserung wichtige Funktionen erfüllen. Es soll mithin gezeigt werden, dass mythisches Denken sich einer Qualifikation in den Kategorien von „richtig“ oder „falsch“ entzieht, zumal es eigenen Denk-, Geltungs- und Wirkungsprinzipien folgt.

 

Christian Giordano: Was geschah eigentlich im Herbst 1989 in Osteuropa? Theoretische Betrachtungen zur ausgebliebenen politischen Revolution

Dieser Artikel greift nochmals Theorien politischer Revolutionen auf und setzt sich sodann mit der Frage auseinander, ob und inwieweit es sich im Fall des Zusammenbruchs kommunistischer Regimes in Osteuropa im Jahre 1989 um eine genuine politische Revolution gehandelt hat. In Anbetracht vor allem der Zielorientierungen sowie der vielen Kontinuitätsphänomene nach dem Systemwechsel wird im Artikel kritisch überprüft, ob es nicht angebrachter erscheint, von einem antiimperialen Befreiungskampf zu sprechen, der eher ideologische sowie sozialstrukturelle Ähnlichkeiten mit den Dekolonisierungsprozessen, als mit den Ablaufsmodalitäten politischer Revolutionen aufweist. Für eine innovative soziologische Analyse des Postsozialismus könnten sich also manche Elemente der postkolonialen Theorienansätze als nützlich erweisen.

Josef Sallanz: Sozioökonomischer Wandel in Rumänien nach 1989 – unter besonderer Berücksichtigung der peripheren Region Dobrudscha

Der Globalisierungs- und Transformationsprozess hat nach dem politischen und ökonomischen Umbruch von 1989 neue Impulse aus dem Westen nach Rumänien gebracht. In der räumlich, wirtschaftlich und sozial peripheren Dobrudscha, die durch den Beitritt Rumäniens am 1. Januar 2007 auch zum Grenzraum der Europäischen Union wurde, ist allerdings der Umgestaltungsprozess im Hinblick auf Ausmaß, Tiefe und Geschwindigkeit im Vergleich zu den übrigen rumänischen Regionen nicht ganz so weit fortgeschritten. Die ökonomische Entwicklung der Dobrudscha – mit Ausnahme der Stadt Constanţa und ihrer näheren Umgebung – lässt erwarten, dass eine Veränderung diesbezüglich länger dauern wird als in den anderen Teilen des Landes. Die Stellung der Dobrudscha im Vergleich zu den meisten anderen rumänischen Regionen kann deshalb deutlich als unterprivilegiert bezeichnet werden.

Replik

Klaus Menne: Onlineberatung Revisited - Zur Diskreditierung eines analytischen Verfahrens

In Heft 6 des Sozialwissenschaftlichen Journals haben Anna Engelstädter und Anja Schierbaum einen Beratungsprozess im Internet interpretiert und daraus die dezidierte Aussage gewonnen, die Anonymität von Onlineberatung verhindere die Aufnahme einer Beziehung zwischen Ratsuchendem und Berater. Wegen ihrer Schriftlichkeit  könne Onlineberatung dem Anspruch, professionelle Beratung zu sein, nicht gerecht werden.

In einer erneuten Durchsicht wendet der Verfasser das Verfahren der sequentiellen Analyse an, das auch die Autorinnen für sich in Anspruch genommen haben, und zeigt, dass ihre generalisierenden Aussagen nicht aus dem untersuchten Text abgeleitet werden können. Eine enge methodische Orientierung am Datenmaterial lässt im Gegenteil deutlich werden, dass Anonymität eine Bedingung des Beratungsprozesses im Internet darstellt.